Der Krieg weitet sich aus

Der Krieg weitet sich aus

Mit der Einnahme der Hauptstadt der Gezira-Provinz, Wad Medani, durch die Miliztruppe Rapid Support Forces (RSF) am 17. Dezember 2023 ist Hoffnung auf eine Besserung der Lage und Einigung verloren gegangen. In den vergangenen Monaten waren rund 500.000 Menschen aus Khartum in das ca. 150 Kilometer südöstlich der Hauptstadt gelegene Wad Medani geflohen, das als sichere Bastion der Armee galt. Die kampflose Aufgabe und der Rückzug des Militärs aus der strategisch wichtigen Stadt haben auf brutale Weise gezeigt, dass die Verteidigung und der Schutz der Zivilbevölkerung durch das Militär nicht wahrgenommen werden. Mit der Einnahme von Wad Medani durch die RSF kam eine große Zahl von Flüchtlingen in die Region Sennar. Auch in den Schulen, welche vom Verein erbaut wurden, suchen flüchtende Menschen Unterkunft.

Google Maps Ausschnitt der Region: Rot markiert ist der Standort der Sennar Sugar Factory, dort in der Nähe finden momentan Kämpfe statt, die in der ca. 30 km entfernten Stadt Sennar zu hören sind. Gelb markiert ist Hilat Al Bir.

Inzwischen sind die RSF-Milizen vorgerückt bis in den Norden von Sennar. Es kommt immer wieder zu Unterbrechungen im Internet und beim Mobilfunk, Banken, Geschäfte und die Verwaltung sind geschlossen. Sennar ist leer. Viele sind geflüchtet aus Angst vor Plünderung und Gewalt. Es gibt keinen Handel, kaum Lebensmittel und kein Geld.

In Hilat Al Bir sind viele Menschen neu angekommen, die Schutz suchen. Auch hier hat man Furcht, dass die RSF kommen wird, um zu plündern und zu vergewaltigen. Es gibt momentan kaum etwas, was wir für die Menschen vor Ort tun können, da alle Banken geschlossen sind und es dem Verein daher nicht möglich ist, Geld zu überweisen.

Die RSF-Milizen sind für ihre brutale Behandlung der Bevölkerung berüchtigt. Ihre Motivation beruht darauf zu plündern, zu vergewaltigen und die Häuser und Wohnungen der Zivilbevölkerung zu okkupieren. Inzwischen beherrscht die Miliz, die starke Verbindungen nach Saudi-Arabien und die Emirate hat und auch von der Wagner Söldnertruppe unterstützt wird, neben großen Teilen der Hauptstadt Khartum und der Dafur Region immer weitere Gebiete des Landes. Die RSF hat keine Erfahrung im Regieren oder Verwalten eines Gemeinwesens, es geht auch kaum zusammen mit den Plünderungen und Massakern an der Zivilbevölkerung.  Angesichts des möglichen Zusammenbruchs der Armee wird ein Totalkollaps des Sudans wahrscheinlich.

„Die Menschen sind durch acht Horrormonate gegangen“, sagt Sofie Karlsson, Sprecherin des UN-Büros zur Koordination humanitärer Angelegenheiten im Sudan, „und jetzt wird alles nur noch schlimmer.“ UN-Angaben zufolge haben bereits 1,5 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen das Land verlassen. 5,4 Millionen wurden innerhalb des Landes vertrieben, mehr als 30 Millionen sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen – fast zwei Drittel der Bevölkerung.

Quellen

Bevölkerung im Sudan durchlebt Horrormonate – Afrika – derStandard.de › International

The Rapid Support Forces: A Comprehensive Profile — Sudan In The News

Sudan: Clashes in Wad Medani between the Sudanese Armed Forces (SAF) and Rapid Support Forces (RSF) Flash Update No: 06 (As of 8 January 2024) [EN/AR] | OCHA (unocha.org)

 

 

Das neue Schuljahr

Das neue Schuljahr hätte regulär im September beginnen sollen, doch bis jetzt haben die Schulbehörden die Schulen nicht geöffnet. Daher finanziert der Verein seit Anfang Oktober in Hilat Al Bir einen freiwilligen Unterricht für Grundstufe und Mittelschule. Es werden vor allem die Hauptfächer Arabisch, Mathematik und Englisch unterrichtet.

Der Unterricht findet hauptsächlich in den Schulen Ibni Zibeir und Tadamoun statt, die Schüler und Schülerinnen der zwei Schulen werden gemeinsam unterrichtet. Auch der Unterricht der höheren Klassen findet hier statt. Für die kleineren Kinder ist der Weg oft zu weit, so dass Unterricht für die jüngeren Kinder der Schulen Sadaqa, Al Amal und Al Salam gemeinsam dort stattfindet. Auch im Kindergarten findet Vorschulunterricht statt und Unterricht für die Schüler der ersten bis vierten Klasse. Hier engagieren sich hauptsächlich Studenten und Uni Absolventen beim Unterricht mit den Kleinsten.

Der Unterricht wird von den Schulleitungen organisiert und findet täglich drei Stunden statt. Das hilft auch den Lehrern, denn sie bekommen so mindestens ein kleines Salär. Der Unterricht wird von den Lehrern gehalten, die in Hilat Al Bir wohnen, auch gibt es einige Lehrer, die in Khartoum unterrichtet haben und aufgrund des Krieges jetzt wieder in Hilat Al Bir sind.

Die Eltern und Lehrer sind froh, dass wenigstens etwas Unterricht stattfindet, da die Kinder in den letzten Jahren viel versäumt haben. Ende November wurde ein Test gemacht, um zu sehen, ob bzw. welche Fortschritte in den acht Wochen erzielt wurden. Ein Ergebnis davon war, dass einige der Kinder gut mithalten können, es jedoch viele gibt, die sehr schwach sind und bei denen es mittlerweile an den einfachsten Grundlagen mangelt. Die Lehrer arbeiten jetzt verstärkt mit den schwächeren Schülern in kleinen Gruppen, um dem entgegenzuwirken.

Wir führen den freiwilligen Unterricht weiter und hoffen einfach nur, dass die Schulbehörden die Schulen bald öffnen und dann auch ein Gehalt für das Lehrpersonal von den Behörden bezahlt wird. Man kann inzwischen fast schon von einer verlorenen Generation sprechen, Kinder die ohne Bildung und ohne Perspektiven aufwachsen.

Hauptversammlung 2023

Es gibt nicht viel Gutes zu berichten aus dem Sudan, der Krieg zwischen dem Militär und dem Paramilitär, der vor allem in der Hauptstadt Khartum geführt wird, dauert an. Es herrscht Krieg und Straßenschlachten in Khartum, das Leben für die Zivilbevölkerung ist dort sehr gefährlich. Jeder der konnte, ist aufs Land oder ins Ausland geflohen. Die Universitäten und Kliniken in der Hauptstadt sind geschlossen, der Flughafen besetzt. Darüber hinaus ist der gesamte Sudan schwer betroffen von den Folgen des Kriegs, da Handel, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Transport bisher über Khartum gelaufen sind.

Aber gerade weil die Situation nicht gut ist, wollen wir weitermachen und helfen. Im April haben wir Lebensmittelpakete für die Familien von 150 Schulkräften finanziert, es gibt Zusatzunterricht für die Abschlussklassen der Sekundarschule, eine Lehrerunterkunft wird in Hilat Al Bir saniert und die Frauen haben ihre Treffen wiederaufgenommen und den 2. Nähkurs gemacht.

Zusatzunterricht für die Abiturklassen

Die Abiturprüfung wird im Sudan zentral und landesweit abgehalten und sollte im Juni 2023 stattfinden. Durch den Krieg was es nicht möglich, bis jetzt haben die Prüfungen nicht stattgefunden.

Die Schulleitung der Sekundarschule hat den Verein angesprochen, ob man nicht Mittel zur Verfügung stellen könnte, damit die LehrerInnen auch jetzt in der schulfreien Zeit Zusatzunterricht für die Abschlussklassen halten, damit die SchülerInnen den Stoff nicht schnell vergessen. Ein Kurs fand bereits im Juni statt über sechs Wochen mit täglich 4 – 6 Unterrichtsstunden. Es ist geplant einen zweiten Kurs zu halten, jedoch erst wenn die Termine für die Abitursprüfungen von den Behörden kommuniziert werden.

Treffen der Frauen

Treffen der Frauen

Seit fast zwei Jahren treffen sich Frauen im Vereinshaus, um verschiedene handwerkliche Fähigkeiten zu erlernen und sich auszutauschen. Begonnen hat es mit einem lockeren Treffen, dann wurden Handarbeiten wie Schmuck oder Bastarbeiten gemacht und Strick- und Näharbeiten durchgeführt.

Letztes Jahr in der Hauptversammlung haben wir beschlossen, Nähmaschinen und Nähmaterial zu finanzieren, damit die Frauen nähen lernen können. Nachdem klar war, dass der Krieg nicht in die Region kommt, haben die Frauen ihre regelmäßigen Treffen wiederaufgenommen und einen Nähkurs unter Anleitung eines Schneider gemacht.

Einige der Frauen haben vor, Schuluniformen zu nähen, um sich so eine kleine Existenz aufzubauen.

Die Dorfbevölkerung packt an

Der Krieg lähmt den gesamten Sudan. Um dem in unserem bescheidenen Rahmen etwas entgegenzuwirken, haben wir, nachdem klar war, dass es in der Region ruhig ist, 10.000 EUR zur Sanierung der 2004 gebauten Lehrerunterkunft der Ibn Zibeir Schule in Hilat Al Bir bereitgestellt.

Die Unterkunft wurde damals parallel zu unserem Projekt „Bau der zweiten Schule Ibn Zibeir“ von der Dorfbevölkerung in Eigeninitiative gebaut. Nach 20 Jahren sind Mauern kaputt, einige Räume müssen neu gebaut, andere saniert werden. Durch den Krieg gibt es viele Menschen, die zurückgekommen sind und jetzt helfen können. Der Verein stellt Baumaterial zur Verfügung, die Bauarbeiten werden von den Dorfbewohnern erbracht. Es ist eine neue Küche geplant, Toiletten, die Sanierung der Räume mit Betonböden, die Außenmauern werden neu gebaut und die Türen gerichtet.

Lebensmittelpakete für die Schulkräfte in Hilat Al Bir

Die Situation der Lehrkräfte wird immer schlechter. Das Gehalt reicht nicht zum Überleben, oft bekommen sie monatelang keine Löhne vom Staat ausgezahlt, auch haben die Löhne aufgrund der Inflation kaum Wert. Im Sudan gibt es immer wieder Streiks und Demonstrationen von LehrerInnen, die versuchen auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen.

Bereits vor dem Krieg hatten wir Lebensmittelpakete für die Schulkräfte in Hilat Al Bir geplant, und diese sind dann im April angekommen. Es waren insgesamt 150 Pakete mit Getreide, Linsen, Öl, Zucker, Tee und Reis im Wert von 3000 Euro für das Personal der 6 Basisschulen, der zwei Kindergärten und der Sekundarschulen.

Die Pakete waren für die Schulkräfte und ihre Familien im Ramadan eine sehr große Hilfe. Es haben sich alle sehr gefreut 😊.

Krieg im Sudan

Seit Mitte April kämpfen zwei Generäle und ihre Soldaten um die Macht im Sudan: auf der einen Seite der Oberbefehlshaber der Armee, General al-Burhan, auf der anderen Seite sein bisheriger Stellvertreter, Milizenführer General Daglo, auch bekannt als Hemeti. Burhan und Hemeti haben nach dem Sturz von Langzeitpräsident Omar al-Bashir 2019 die Macht übernommen, die sie nun wieder – im zweiten Anlauf – an eine zivile Führung hätten übergeben sollen. Beide beschuldigen einander, den Prozess torpediert zu haben.

Weder Hemeti noch Burhan haben genug politische Instrumente, um die Bevölkerung auf die eigene Seite zu ziehen und so den Kampf für sich zu entscheiden. Die Armee von Burhan ist zwar zahlenmäßig stärker als die paramilitärischen Truppen seines bisherigen Stellvertreters Hemeti, aber diese sind besser ausgerüstet.

Der Konflikt findet weitestgehend in Khartum statt. Brennpunkt sind die Kasernen, in denen die Paramilitärs stationiert sind, sowie die strategisch wichtige Infrastruktur in Khartum wie der Präsidentenpalast, Brücken, welche die Stadtteile verbinden, der Flughafen sowie Krankenhäuser und Fabriken. Vor den anhaltenden Kämpfen in Khartum sind mittlerweile viele Menschen geflohen. Die meisten der geschätzt 900.000 Geflüchteten fliehen im Sudan in Regionen, in denen es keine Kämpfe gibt und kommen bei Verwandtschaft oder Bekannten unter.

In der Region Sennar gab es keine Kämpfe, es ist ruhig und im Unterschied zur Hauptstadt herrscht hier fast so etwas wie Alltag. Die Schulen, Geschäfte und Banken sind geöffnet. Die wirtschaftliche Situation ist schlimm. Die Preise sind gestiegen, Lebensmittel und Treibstoff sind knapp, alle Güter, welche normalerwiese von oder über Khartum transportiert werden, gibt es nicht. Viele Familien oder Familienmitglieder sind von Khartum wieder zurück in die Region gekommen. Es gibt viele zusätzliche Kinder, die einen Schulplatz benötigen und Eltern, die nach ihrer Flucht aus Khartum nicht wissen, wovon sie nun leben sollen. Es ist ein sehr kleiner Trost, dass in Hilat Al Bir und der Region die Schulen geöffnet sind und die Abschlussprüfungen für das Schuljahr in den kommenden Tagen stattfinden.

Wir sind in intensivem Austausch mit unserem Partnerverein, um herauszufinden wie wir in dieser schlimmen Situation helfen können und wo überhaupt Hilfe möglich ist. Wir diskutieren, ob oder welche Möglichkeiten es gibt, die Landwirtschaft zu unterstützen, wir evaluieren welche Möglichkeiten wir haben im Sommer die Werkstatt in ihrem Betrieb zu unterstützen oder auch die Initiative der Frauen in Hilat Al Bir weiter zu unterstützen, um nähen zu lernen und damit einen kleinen Verdienst zu erwirtschaften.

Das Ende der Demokratiebewegung

Die Demokratiebewegung und die eingeleiteten Reformen wurden durch einen Militärputsch im Oktober 2022 jäh gestoppt. Bereits initiierte Projekte der internationalen Gemeinschaft zur Stabilisierung und Förderung der Demokratie und der zivilen Übergangsregierung wurden eingefroren. Die Inflation ist wieder da, Lebensmittel und Benzin sind knapp. Fast alle Teile der Bevölkerung sind verarmt. Die Mittelschicht ist komplett verschwunden. Im Westen, Osten und am Blauen Nil sind ethnische Konflikte aufgeflammt, Staat oder Militär bieten der Bevölkerung keinen Schutz.  Die Lage der Menschenrechte ist sehr schlecht. 

Die wirtschaftliche und soziale Lage hat Auswirkungen auf das gesamte Leben im Sudan, jeder Tag birgt auch für unsere Vereinsarbeit neue Unwägbarkeiten. Manches Mal gibt es kein Benzin, an anderen Tagen muss man stundenlang suchen, um Wasser zu organisieren, weil der Strom und damit die Wasserpumpen nicht funktionieren. Baumaterial ist oft nicht erhältlich und verteuert sich laufend. Handwerker, welche fest gebucht wurden, erscheinen nicht. Die Menschen, die für den Verein arbeiten sind mit dem täglichen Überleben beschäftigt, es ist oft nur mit viel Mühe möglich Lebensmittel, insbesondere das Hauptlebensmittel Brot, Medikamente oder Transport zu finden.  

Unser bisher größtes Projekt „Bau von Schulen für zehn Dörfer sowie einer Gehörlosenschule für die Region und Stärkung des Partnervereins durch Bau eines Vereinshauses, einer Plantage und Schulungen“ konnte nur aufgrund des pausenlosen Einsatzes und Engagements des Projektteams erfolgreich fertiggestellt werden. Im Oktober 2021 wurden die Schulen offiziell eröffnet unter Beisein eines Vertreters der Deutschen Botschaft Khartum.  

Zur Situation im Sudan

Die zivile Übergangsregierung muss sich nun in einem denkbar schlechten Umfeld bewähren: Der Staatshaushalt ist bankrott, der Sudan ist in einer tiefen Wirtschaftskrise und immer noch international isoliert durch die Sanktionen der USA (diese könnten demnächst fallen) sowie innerpolitisch mächtige Feinde, die dem Lager der alten Militärdiktatur zugehören.

Für die Menschen wird das tägliche Überleben immer schwieriger. Benzin und Brot sind knapp, es bilden sich jeden Morgen lange Schlangen vor dem Bäcker und den Tankstellen. Die Inflation ist sehr hoch. Schulen und Universitäten waren zunächst fast ein halbes Jahr wegen der Demonstrationen geschlossen. Im Frühjahr verschärfte COVID-19 die tiefe wirtschaftliche Krise des Sudans nochmals. Ein dreimonatiger Lockdown, Hyperinflation und Arbeitslosigkeit führen zu Lebensmittelknappheit und Ernährungsunsicherheit für weite Teile der Bevölkerung. Als wäre das alles nicht schon dramatisch genug, musste der Sudan Anfang September einen dreimonatigen Notstand ausrufen. Starke Regenfälle hatten im Sudan schwere Überschwemmungen ausgelöst.

Für unsere Schulen und auch für dem Kindergarten ist aufgrund der Ereignisse nun fast ein ganzes Jahr verloren. Die Schulen, welche nach den Streiks gerade wieder in den Normalbetrieb zurückgekehrt waren, wurden im März wegen COVID-19 wieder geschlossen. Das neue Schul- bzw. Kindergartenjahr sollte Anfang September eigentlich losgehen, doch aufgrund des ausgerufenen Notstands bleiben die fast alle Einrichtungen bis Ende November geschlossen.

Unsere Soforthilfen-Spendenaktion hat über Verdoppelung von Spenden von Microsoft-MitarbeiterInnen und Förderung durch das BMZ insgesamt über 90.000 Euro gebracht. Die Hilfen werden derzeit koordiniert und werden schon bald den Menschen zugute kommen.